Elizabeth George: Mein ist die Rache (Rezension)

Was als fröhliches Verlobungswochenende von Lynley mit der Fotografin Deborah im Freundes- und Familienkreis auf Howenstow, dem feudalen Stammsitz der Ashertons, geplant war, entpuppt sich nach und nach als Alptraum. Im nahe gelegenen Dorf wird ein junger Journalist bestialisch ermordet - und alle Spuren führen nach Howenstow, zum gräflichen Verwalter zu Lynleys Gästen, ja sogar zu seinem eigenen Bruder. Auf der Suche nach dem Täter verfangen sich Lynley und St. James mit jedem Schritt mehr in einem schmerzhaften Netz aus lange unterdrückten Feindseligkeiten, nicht eingestandenen Schuldgefühlen und scheinheiliger Moral.
Anfang der 2000er entdeckte ich eine unterhaltsame englische Krimiserie: Inspector Lynley. Mir haben die Fälle und die Hauptpersonen gefallen und ich habe mir lange vorgenommen, die Buchvorlage zu lesen. Das hat dann doch etwas gedauert, die ursprüngliche Inspector Lynley gibt es schon nicht mehr (nach sechs Staffeln war Schluss) und demnächst kommt eine Neuauflage/Neuversion von Inspector Lynley (Lynley und Havers) im TV. Immerhin habe ich es zu Beginn der neuen Serie geschafft meinen ersten Elizabeth George-Roman zu lesen, und gleichzeitig meinen ersten Lynley-Roman, obwohl MEIN IST DIE RACHE Teil vier der Reihe ist. Aber, und deswegen habe ich damit angefangen, bevor ich mich an die anderen Teile wage, dies ist die "Vorgeschichte" zu den Lynley-Romanen. Also ist alles anders und Havers spielt noch keine Rolle. Irgendwie schade, in der Serie hat sie mir besser gefallen als Lynley und ich bin gespannt, wie sie in den Romanen ist.
George nimmt sich viel Zeit bei der Entwicklung ihrer Figuren. Opfer, Täter und Ermittler werden nicht auf einfache Rollen reduziert, sondern als widersprüchliche, verletzliche Menschen gezeichnet. Allerdings wird man nicht ganz von Klischees verschont, die sich aber gut in die Gesamtlage einfügen und nicht unangenehm oder omnipräsent auffallen. Stilistisch überzeugt George mit ihrer präzisen, ruhigen Sprache und einem langsamen, aber konsequenten Spannungsaufbau. Ich kann keinen Vergleich zu den vorangegangenen Lynley-Romanen anstellen, aber überzeugend ist George hier auf jeden Fall. Sie schafft genau das richtige Verhältnis zwischen familiären Verwicklungen und der Kriminalhandlung, verwebt beides wo es zusammengehört und hält Abstand, wenn es nötig ist. So schafft sie Spannung auf mehr als einer Ebene und auch wenn der Roman eher durch eine langsame Erzählweise überzeugt wird es nie langweilig. Man mag das als typisch englischen Whodunit bezeichnen, aber MEIN IST DIE RACHE ist weitaus mehr. Familiengeschichte und Krimi ... für Freunde dieser Genres genau das richtige. Und ich bin nun auf die anderen Bände gespannt.

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