Donnerstag, 7. Dezember 2023

Robert C. Marley: Inspector Swanson und das Haus der verlorenen Kinder (Rezension)

London 1896 – Bei Bauarbeiten am neuen U-Bahn System stoßen Arbeiter auf den in Badetücher gewickelten Leichnam eines Mannes. Sämtliche Spuren führen in ein Dorf bei Edinburgh. Chief Inspector Donald Swanson sieht sich gezwungen, den Zug zu besteigen und gemeinsam mit Sergeant Phelps in seine schottische Heimat zu reisen.
Dort versucht Frederick Greenland, der reiche Lebemann aus Bloomsbury, derweil mehr über die Herkunft seines Ziehsohnes in Erfahrung zu bringen. Das gefällt offenbar nicht jedem. Ein paar Mal entgeht er nur um Haaresbreite dem sicheren Tod.
Wer steckt hinter den Anschlägen? Und welche Rolle spielt der Fremde, der ihnen auf Schritt und Tritt zu folgen scheint? Schützenhilfe bekommt Frederick von Arthur Conan Doyle, der dort gerade seinen alten Professor besucht. Doch als ein weiterer Mord geschieht, überschlagen sich die Ereignisse. Selbst Swanson muss sich eingestehen, dass ein perfider Mörder sie an der Nase herumführt …

Inspector Swanson und das Haus der verlorenen Kinder ist nicht ganz so gut wie der Vorgänger, aber für Freunde des viktorianischen Krimis kommen voll auf ihre Kosten ... und Arthur Conan Doyle taucht auf (was ich als Fan desselben natürlich meistens als Pluspunkt sehe). Die Handlung ist gut inszeniert und beide Handlungsstränge (den um Inspector Swanson und den mit Badger und Frederick Greenland.
Inspector Swanson und das Haus der verlorenen Kinder ist der zehnte Fall von Inspector Swanson. 
Es ist aber nicht nötig, die vorangegangenen Bände zu kennen, eventuell benötigte Vorkenntnisse werden in wenigen Sätzen geklärt, sind aber nur bedingt für die Handlung vonnöten (wobei es natürlich interessant ist Badgers bisherigen Werdegang besser zu kennen).
Marley hat zwei spannende Handlungsstränge geschaffen, die hin und wieder Berührungspunkte aufweisen. Die Ermittlungsarbeit des Inspectors ist spannend und auch der Handlungsstrang um Badger hält den Leser bei der Stange... und das Ende ist ein sehr vielversprechender und etwas unerwarteter Cliffhanger, der das Warten auf den nächsten Band fast schon unerträglich macht.
Auch wenn ich noch nicht alle Teile der Reihe kenne so bietet Inspector Swanson auch hier wieder unterhaltsamen Lesespaß, der durch diverse Cameoauftritte realer Personen (und mit Augenzwinkern auch Sherlock Holmes, was sich wohl nicht vermeiden lässt wenn Arthur Conan Doyle auftaucht) durchaus eine Aufwertung zu bieten hat.

Dienstag, 5. Dezember 2023

Christian Handel/Andreas Suchanek: Spiegelstadt - Tränen aus Gold und Silber (Rezension)

»Babylon Berlin« goes Fantasy:
In den Schatten unserer Welt existiert eine andere Wirklichkeit: die Spiegelstadt, ein magisches Berlin, erstarrt in den glamourösen 1920er-Jahren und bewohnt von vielgestaltigen Feen-Wesen. Reisen zwischen den Welten sind streng verboten und nur mithilfe magischer goldener Tränen möglich.
Auf einer wilden Party in Berlin, die ganz im Motto der 20er-Jahre steht, begegnet Max dem ebenso attraktiven wie geheimnisvollen Lenyo – und gerät damit mitten hinein in einen blutigen Konflikt um die Herrschaft in der Feen-Welt. Verfolgt von gnadenlosen Kreaturen und gefangen in einem Netz aus Intrigen und Machtgier, ahnt keiner von ihnen, dass sie längst zum Spielball einer gefährlichen Macht geworden sind, die die Barriere zwischen den Welten bedroht …

Christian Handel und Andreas Suchanek sind mir als Autoren bekannt, die den Leser (also mich) schnell in ihre Handlung einführen können und mich dann auch soweit fesseln, dass ich das Buch nicht mehr aus den Händen lassen will (Ausnahmen bestätigen die Regel, aber groß enttäuscht haben mich beide Autoren noch nicht). So hatte ich entsprechende Erwartungen an SPIEGELSTADT und war gleichzeitig gespannt welche Früchte die Zusammenarbeit beider Autoren tragen würde... und was soll ich sagen: Die Zusammenarbeit der beiden preisgekrönten deutschen Fantasy-Autoren Christian Handel und Andreas Suchanek ist ein echter Glücksfall für alle Urban-Fantasy-Fans. Den beiden Autoren gelingt es sofort, den Leser zu fesseln und ihn in eine fremde und doch irgendwie vertraute Welt zu entführen. Also habe ich bekommen was zu erwarten war. Die Charaktere sind interessant und vielschichtig gestaltet und sorgen durchaus für die eine oder andere Überraschung, so dass auch die Handlung wendungsreich bleibt. Im Nachhinein glaubt man Anzeichen für die eine oder andere Überraschung gesehen zu haben, aber wenn ich ehrlich bin .... einiges war wirklich unerwartet.
Mit dem Werk von Christian Handel bin ich (noch) nicht so vertraut, aber ich kann zumindest Anzeichen von Suchaneks Kreativität entdecken: Eine Gruppe von Freunden erlebt ein Abenteuer und der obligatorische Cliffhanger fehlt natürlich auch nicht. Spannend, action- und wendungsreich, mit interessanten, sich weiter entwickelnden Charakteren in einem verzaubernden Setting ... fast perfektes Lesevergnügen.
Nur die Liebesgeschichte entwickelt sich etwas zu schnell und mehr nach der Art Liebe auf den ersten Blick .... muss man mögen, aber positiv ist auch hervorzuheben, dass diese eher ein Nebenstrang ist und den Hauptstrang nicht weiter belastet. Wer also einen Liebesroman erwartet (weil ja ständig auf diese queere Liebesgeschichte hingewiesen wird) wird vielleicht enttäuscht werden, Urban Fantasy Fans dagegen werden ihre Freude haben. Nun heißt es warten auf die Fortsetzung ...

Montag, 4. Dezember 2023

Ursula Poznanski: Erebos (Rezension)

In einer Londoner Schule wird ein Computerspiel herumgereicht - Erebos. Als Raubkopie geht es von Hand zu Hand und wer es spielt, kommt nicht mehr davon los. Dabei sind die Spielregeln äußerst streng: Jeder hat nur eine Chance, Erebos zu spielen. Er darf mit niemandem darüber reden und muss immer allein spielen. Und - wer gegen die Spielregeln verstößt oder seine Aufgaben nicht erfüllt, fliegt raus und kann das Spiel auch nicht mehr starten. Merkwürdig ist aber, dass die Aufgaben, die Erebos stellt, nicht in der Welt von Erebos, sondern in der Wirklichkeit ausgeführt werden müssen. Die Fiktion des Spiels und die Realität verschwimmen auf irritierende Weise.
Auch Nick ist süchtig nach Erebos, bis das Spiel ihm befiehlt, einen Menschen umzubringen. Natürlich führt er diesen Auftrag nicht aus und wird prompt vom Spiel ausgeschlossen. Als auch noch sein bester Freund Jamie schwer verunglückt, begreift Nick: Erebos ist weitaus mehr als nur ein harmloses Computerspiel!

Sonntag, 3. Dezember 2023

Gaston Leroux: Das Geheimnis des Gelben Zimmers (Rezension)

Die französische Presse berichtet von einem unfassbaren Mordversuch: Die Tochter des Wissenschaftlers Stangerson wäre beinahe in ihrem Zimmer ermordet worden. Wie kam der Täter in das Zimmer, und vor allem: Wie konnte er unbemerkt fliehen?
Alle Zeichen deuten darauf hin, dass der Täter plant, seine Tat zu Ende zu bringen. Das Schloss des Professors entpuppt sich als ein wahres Labyrinth aus Liebesaffären und Doppelleben. Einer der Schlossbewohner muss der Täter sein. Es beginnt eine spannende Mörderhatz, die mit einem für alle überraschenden Finale aufwartet.

Gaston Leroux (* 6. Mai 1868 in Paris; † 15. April 1927 in Nizza) war ein französischer Journalist und Schriftsteller. Weltbekannt ist er vor allem durch seinen Roman „Das Phantom der Oper“, der heute vor allem durch das Andrew Lloyd Webber Musical noch sehr populär ist. 1907 erschien sein Kriminal-Roman Le Mystère de la Chambre Jaune, der für viele als einer der besten Kriminalromane gilt und ein hervorragendes Beispiel für einen Mord im geschlossenen Raum darstellt.
2003 erschien eine Verfilmung, die in Frankreich sehr erfolgreich wurde. Die deutsche Übersetzung des Romans erfolgte erst 1978. Der junge Reporter Joseph Josephin, genannt Joseph Rouletabille, der "Held" in DAS GEHEIMNIS DES GELBEN ZIMMERS war noch Protagonist von weiteren Romanen, von denen aber (noch) nicht alle ins deutsche übersetzt wurden.
Der Roman selbst mag in gewisser Weise antiquiert wirken, aber wenn man sich in eine vergangene Zeit versetzen will wird man einen wunderbaren nostalgischen Krimi zu lesen bekommen. Und es bleibt unbestritten, dass der Fall gut und spannend konstruiert ist und die Auflösung durchaus noch überraschen kann. Die Protagonisten und der Schauplatz sind interessant und damit der Leser nicht überfordert wird gibt es Skizzen der entsprechenden Orte. Wirklich hilfreich beim Miträtseln sind sie aber nicht.
Auch wenn es eine große Anzahl an neuen Kriminalromanen gibt so schadet es nicht, hin und wieder auch zu einem älteren Werk zu greifen. Und DAS GEHEIMNIS DES GELBEN ZIMMERS ist auf jeden Fall empfehlenswert, nicht nur für Freunde von Morden in geschlossenen Räumen.

Samstag, 2. Dezember 2023

Rachel Joyce: Das Geheimnis der Queenie Hennessy (Rezension)

der nie abgeschickte Liebesbrief an Harold Fry...

Das Buch über die Frau, zu der Harold Fry 1.000 Kilometer weit läuft
Wenn dir nicht mehr viel Zeit bleibt, ist es Zeit für die ganze Wahrheit
Queenie ist die Frau, die rückwärts singen kann. Harold ist der Mann, der allein mit seinem Schatten im Schnee tanzt. Queenie und Harold sind erst Kollegen, dann Freunde, dann … geschieht ein schreckliches Unglück, und Queenie geht für immer. Als Harold viele Jahre später ihren Abschiedsbrief erhält, macht er sich auf den Weg zu ihr. Und Queenie erkennt, dass sie ihm endlich die Wahrheit gestehen muss.
Die Fortsetzung von DIE UNWAHRSCHEINLICHE PILGERREISE DES HAROLD FRY konnte mich nicht ganz überzeugen. Die Charaktere im Hospiz waren liebevoll gezeichnet und trotz des eigentlich trostlos erscheinenden Settings gab es hier und da humorvolle Einlagen, auch wenn man natürlich zum Nachdenken angeregt wird. Unterhaltsam war auch der Bezug zu Harolds Pilgerrreise (man muss das Buch auf jeden Fall gelesen haben, damit man DAS GEHEIMNIS DER QUEENIE HENNESSY versteht), aber Queenies Geschichte selbst war etwas langatmig und (sieht man von den Teilen mit Harolds Sohn ab) eher uninteressant. Da war das Buch länger geraten und lies auch den Charme der Pilgerreise vermissen. Fast bekommt man den Anschein als wolle man versuchen eine zweite Harold Fry-Geschichte zu schreiben. Ich will nicht sagen, dass dies einfach der zweite Versuch eines erfolgreichen Schemas ist, es ist einfach der Versuch einem erfolgreichen Buch eine Fortsetzung aufzudrängen. Es hätte funktionieren können, wenn man Queenies Geschichte weniger Raum einberaumt hätte (oder sie interessanter gestaltet hätte). Irgendwie schade, denn das Potential, das die Bewohner des Hospiz bieten wird nicht vollständig ausgenutzt. Dass es auch besser gehen könnte zeigt dann das ende des Romans. Dort zeigt Rachel Joyce, was sie vorher unterdrückt hat: Eine berührende, humorvolle Geschichte, die trotz unaufgeregter Erzählweise überzeugen kann. Bei QUEENIE HENNESSY ist das aber leider nur am Ende spürbar. Aber ... das Buch macht neugierig auf den dritten Teil, in der Hoffnung, dass man dann Davids Geschichte aus einer weiteren Sicht erfährt.