Freitag, 20. September 2024

Klaus Böldl: Odin - Der dunkle Gott und seine Geschichte (Rezension)

Odin galt als oberster Gott der Germanen. Er war der Herr der Berserker und Herrscher über den Krieg und das Totenreich. Seine beiden Raben trugen ihm alles zu, was in der Welt vor sich ging. Bis heute hat diese düstere Figur nichts von ihrer Faszination verloren. Doch wie sah die Odin-Verehrung im heidnischen Norden wirklich aus? Was ist authentisch, was spätere Zuschreibung? Klaus Böldl liefert die erste Gesamtdarstellung zu Odin und seinem Kult. Er prüft die archäologischen und literarischen Zeugnisse, bettet Odin in den Kontext der nordischen Religionen ein und beleuchtet die lange Rezeptionsgeschichte des «dunklen» Gottes vom Mittelalter bis in die Gegenwart.
In den wikingerzeitlichen Zeugnissen lässt sich Odin noch nicht in allen Details erfassen, eine deutlichere Gestalt nimmt der Gott erst in der isländischen Saga-Literatur des Mittelalters an. Gerade in den Liedern der Edda finden sich einige der bekanntesten Odin-Mythen literarisch ausgestaltet – Skaldenmet, Götterdämmerung, seine beiden Raben oder seine Einäugigkeit. Seit dem späten18 . Jahrhundert wurde Odin dann in Abgrenzung zum romanischen Kulturkreis und zum Christentum immer stärker zum Nationalgott der Deutschen stilisiert, die Spur führt hier von Jacob Grimm über Wagners Der Ring des Nibelungen bis zu C. G. Jung. Vor allem durch die weite historische Perspektive entlarvt Klaus Böldl im vorliegenden Band diese Instrumentalisierung des Gottes als identitätspolitische Konstruktion, die jedoch bis heute in der Heavy-Metal-Szene, bei Wikinger- und Mittelalterbegeisterten, bei Esoterikern und Neuheiden sowie in rechten und rechtsextremen Milieus gepflegt wird.

Donnerstag, 19. September 2024

Jennifer Schreiner (Herausgeberin): Boo & Books (Rezension)

In dieser gespenstischen Anthologie rund um die zauberhafte Wirkung von Büchern findet jedes Kind oder Nicht-Kind seine Lieblingsgeschichte. Es gibt magische Bibliotheken, zauberhafte Bücher, geheimnisvolle Geschichten und geisterhafte Überraschungen. Denn in jeder der "Boo & Books"-Geschichten gibt es mindestens ein Buch und einen Geist - und natürlich einen Leser, der damit umgehen muss. Denn manche Bücher entführen in tolle Abenteuer, andere beherbergen einen Buchstabengeist und in manchen Buchhandlungen wartet ein sehnsuchtsvolles Gespenst darauf, dass ein Leser endlich "sein" Buch auswählt. Mit "Boo & Books" wird nämlich jeder zum Leser :-)
Gespenster und Bücher, kann zusammenpassen, muss aber nicht und Möglichkeiten der Verbindungen gibt es viele. Und so vereint Jenniver Schreiner in Boo & Books die kurzen Geschichten einer ganzen Autorenriege: Jennifer Oberger; Kristina Schreiber; Katharina Werbel; Vera Lörks; Taro Drudenfuß; Andrea Lopatta; R.F. Krammer; Laura Mayer; Irmi Feldmann; Marc Du Buisson; Marion Uhlmann; Julia Nachtigall; Sarah Lutter; Kai Focke; Luca Winter; Holly Malea; Peggy Christianus; Jennifer Nickel; Dennis Puplicks; Fenja Harbke; Lynn Weiher; Luo Hoa.
Bekannt davon ist mir niemand, wobei das nichts zu sagen hat, wenn es sich um Autoren handelt, die sich vor allem im Bereich der Kurzgeschichte austoben. Ich erlaube mir aber auch die Behauptung, dass ich mir keinen dieser Namen merken werde, denn ... so sehr ich Anthologien lese, so hat sich diese als Enttäuschung herausgestellt. Manche Ideen sind durchaus innovativ (da gibt es Gespenster am Ende von Büchern, in Bibliotheken, Exorzisten und Geister mit Mission). 180 Seiten ... und zu viele zu kurze Geschichten, die mir nicht nahegingen. Ich habe sie gelesen, aber keine davon hat mir gefallen. Manche waren ganz nett, aber nicht unbedingt hervorhebbar, aber ein wirkliches Highlight gab es für mich nicht. Eine gute Idee macht nun mal keine gute Geschichte und so könnte man diese Anthologie als Mostly harmless bezeichnen, ganz nett aber nicht unbedingt lesenswert. Viele Geschichten sind einfach zu kurz, die Pointen sitzen nicht richtig und auch wenn man nicht sagen kann, dass sie schlecht geschrieben sind ... aber man versäumt nichts, wenn man sie nicht gelesen hat.
Kurz gesagt: Eine nette und kreative Idee wurde in den Sand gesetzt. Einzig wirklich positiv hervorzuheben: Die niedlichen Illustrationen, die haben mich unterhalten und zum Schmunzeln gebracht. Aber rechtfertigt das die Anschaffung dieser Anthologie? 

Mittwoch, 18. September 2024

Corinna Schattauer: Höllentrip & Seelenstrip oder Traue keinem Kohlsuppenorakel

Was zur Hölle …?
Dieser Satz geht Alex durch den Kopf, als sich plötzlich ein Dämon den Weg durch ihre Spüle bahnt. Dabei ist sie dämonischen Kummer gewöhnt, schließlich lebt sie – nicht ganz freiwillig – mit einem Exemplar dieser Spezies zusammen.
An sich verläuft ihr Leben durch ihren Mitbewohner Eddie schon kompliziert genug, als sich jedoch die Begegnungen mit weniger freundlichen Wesen aus dem Jenseits häufen, sieht Alex ein, dass sie handeln muss. Aber kann man einer roten Katze und einem unentschlossenen Kohlsuppenorakel trauen?
Für sie und ihre fragwürdigen Begleiter beginnt ein Höllentrip, der kein geringeres Ziel hat, als den Herrn der Unterwelt persönlich zu stürzen. Und das alles im Idealfall sogar zu überleben.

Der Klappentext ist vielversprechend und lässt auf eine skurrile Geschichte hoffen. Ein bisschen hatte ich erwartet an Robert Asprin erinnert zu werden, zumindest was den Humor anbelangt. Aber ich wurde ein bisschen enttäuscht. Die Geschichte selbst ist nicht ganz zu mir durchgedrungen, die Protagonisten waren ganz nett und die Idee mit der Prophezeiung okay das war ein bisschen unerwartet und eine der wenigen Momente, die mich zumindest zum Schmunzeln verleitete. Aber über nett geht die Geschichte nicht hinaus, und teilweise war der Höllentrip dann doch etwas ermüdend. Die Charaktere jagen von einer Ecke der Hölle in die andere und müssen sich immer wieder aus den Fängen der Dämonen befreien. Minder spannend, minder witzig und ab einem gewissen Punkt nur noch nervig. Überraschungen gab es wenig, vielleicht den einen oder anderen Aha-Effekt, aber da wäre mehr gegangen. Allein schon der Hinweis auf das Kohlsuppenorakel ... was man daraus hätte machen können. So aber erfährt man, dass Dämonen nicht übermäßig böse sind, manche Prophezeiungen nicht das sind was sie vorgeben zu sein und das Alex doch ein häufiger Name ist (auch wenn man das vorher schon wusste).

Dienstag, 17. September 2024

Alan Bennett: Die souveräne Leserin (Rezension)

Die Hunde sind schuld. Beim Spaziergang mit der Queen rennen sie los, um den allwöchentlich in einem der Palasthöfe parkenden Bücherbus der Bezirksbibliothek anzukläffen. "Ma'am" ist zu gut erzogen, um sich nicht bei dem Bibliothekar zu entschuldigen, leiht sich ebenfalls aus Höflichkeit ein Buch aus - und kommt auf den Geschmack. Von da an deckt sie sich jede Woche mit Lesestoff ein. Sir Kevin, Privatsekretär der königlichen Hoheit, ist "not amused", beginnt doch die Queen ob ihrer neuen Leidenschaft ihre royalen Pflichten zu vernachlässigen.
In DIE SOUVERÄNE LESERIN entdeckt die Queen (Elizabeth II) ihre Liebe zum Lesen. Leider teilt sonst niemand diese Neuentdeckte Leidenschaft und diejenigen, die für sie Verständnis aufweisen werden vom Hofstaat entfernt. Aber allen Widerständen zum Trotz .... die Queen liest weiter und fasst einen folgenschweren Entschluss.
Amüsant und sehr unterhaltsam, die Queen und die Literatur, royale Erhabenheit und Pflichtbewusstsein trifft auf ruhigen britischen Humor. Schon die Anfangsszene ist vielversprechend und auf subtile Weise komisch (und etwas peinlich für denjenigen der Genet nicht kennt) und das einzige Manko dieses Buchs: Es ist zu schnell zu Ende auch wenn dieses genau auf den Punkt gebracht wird.
Ein Buch für Freunde der Literatur und diejenigen, welche die Queen mit anderen Augen sehen möchten.

Montag, 16. September 2024

Ulrike Rylance: Stay silent or you're next (Rezension)

Nina Bachmann kann es kaum erwarten, ihr Traum-Praktikum bei einer Anwaltskanzlei in Leipzig zu beginnen und endlich unabhängig von ihren Eltern zu sein. Um der chaotischen Wohnung ihrer Tante und deren nervigen Zwillingen zu entkommen, zieht sie in ein preisgünstiges WG-Zimmer in einer alten Villa. Doch schon bald merkt Nina, dass in der Villa nichts mit rechten Dingen zugeht und ihre Mitbewohner Geheimnisse vor ihr haben. Immer mehr merkwürdige Ereignisse geschehen – Unbekannte hinterlassen ihr Schokolade und Liebesgedichte. Doch dann verwandeln sich die harmlosen Geschenke in Albträume, als Nina eines Nachts ihren geliebten Gecko Billy tot im Garten findet. Als dann auch noch die Freundin eines Mitbewohners nach einer Party tot im Treppenaufgang entdeckt wird, beginnt Nina Fragen zu stellen – und gerät selbst in tödliche Gefahr. Wird sie das Geheimnis lüften, bevor es zu spät ist? 

Freitag, 13. September 2024

Ursula Poznanski: Scandor (Rezension)

Die Wahrheit kann dich reich machen.
Die Lüge lässt deine schlimmsten Albträume wahr werden.
Es ist eine Challenge der besonderen Art, auf die Philipp und Tessa sich einlassen: Hundert Menschen treten an, um einen einzigartigen, unfehlbaren Lügendetektor zu testen: Scandor. Er begleitet die Kandidaten rund um die Uhr, wittert jede Ausflucht, jede Schwindelei. Wer lügt, fliegt aus dem Rennen und muss sich seinen tiefsten Ängsten stellen. Die Person hingegen, die am Ende übrigbleibt, erhält ein Preisgeld von fünf Millionen Euro.
Doch nicht alle spielen fair. Und es gibt jemanden, der sich auf die Suche nach einer ganz besonderen Wahrheit gemacht hat.

Wie oft am Tag lügen wir? Bestsellerautorin Ursula Poznanski macht diese spannende Frage zum Kern einer dramatischen Battle Royale in einer Welt, in der Wahrheit und Lüge die Menschen an ihre Grenzen bringen. Tatsächlich regt Poznanskis neuester Jugendthriller zum Nachdenken an. Und selbst die ehrlichste Haut wird sich gestehen müssen, dass sie hin und wieder lügt. Denn, manchmal tut die Wahrheit weh oder man bedient sich Floskeln, die nicht unbedingt eine Lüge sind, aber von der Wahrheit weit entfernt. Und natürlich will man auch nicht auf jede Frage eine Antwort geben ...

Donnerstag, 12. September 2024

Agatha Christie: Reise in ein fernes Land (Rezension)

Eine unvergessliche Reise durch den Nahen Osten mit der Queen of Crime
Mit Witz, Charme und einem unbestechlichen Blick für Ort und Menschen erzählt die Grande Dame des Kriminalromans von einem nahezu unbekannten Kapitel ihres Lebens: den abenteuerlichen Reisen zu Ausgrabungsstätten in Syrien und im Irak, die sie an der Seite ihres Ehemannes Max Mallowan, einem Archäologen, unternahm. Ihre lebendigen Eindrücke und stimmungsvollen Schilderungen nehmen die Leser mit auf eine Reise in den Orient der 1930er Jahre und zu den Schauplätzen ihrer großen Kriminalromane.

Agatha Christie, die unumstrittene Queen of Crime und nach wie vor eine meiner Lieblingsschriftstellerinnen, von deren Gesamtwerk ich dachte, dass mir nur ihre Autobiografie nicht bekannt ist. Nun ja, es scheint ich habe mich getäuscht. REISE IN EIN FERNES LAND erschien unter dem Titel "Come, tell me how you live" und wurde unter dem Titel ERINNERUNGEN AN SCHÖNE TAGE ins deutsche übersetzt.

Montag, 9. September 2024

Karl-Heinz-Göttert: Tal und Tälchen (Rezension)

Im Engtal zwischen Bingen und Koblenz nimmt der Rhein zahlreiche Bäche aus den Seitentälchen auf. Die Enge, ja Schroffheit, die der Rhein als großer Akteur hier modelliert, eignet sich im Grunde wenig zum Leben. Genau das geschah jedoch, weil Menschen einen Weg fanden, den Nachteil in einen Vorteil zu verwandeln, indem sie die Naturlandschaft zur Kulturlandschaft umformten. Karl-Heinz Göttert berichtet von einem grandiosen Stück Natur, das zur Kulturlandschaft umgestaltet wurde.
European Essays on Nature and Landscape ist eine Buchreihe über Natur und Landschaften in Deutschland und Europa. Autoren und Autorinnen aus Europa stellen diese mit ihrem eigenen Blick vor und schaffen so ein wissenschaftsumspannendes Werk, dass weit über eine biologische Sichtweise hinausgeht. Manchmal könnte man den Eindruck erwecken, dass es sich um Natur- oder Reiseführer geht (soweit ich das nach dem Lesen von MOORE und TAL UND TÄLCHEN beurteilen kann), aber die dünnen Büchlein gehen weit darüber hinaus und sind manchmal mehr, manchmal weniger das, was man vielleicht erwarten würde. Vielleicht sind die Bücher vergleichbar mit jenen Reisedokumentationen, welche Moderatoren an ungewöhnliche und kaum (bis gar nicht) bekannte Wege führen, bzw. den Zuschauer (oder im Falle dieser Buchreihe) Bekanntes auf Unbekannte Weise zu entdecken.

Donnerstag, 5. September 2024

Lisa McMann: Wächter der Magie - Aufbruch nach Artimé (Rezension)

Ein Land, in dem Kreativität und Magie verboten sind. Zwei Brüder, die alles verändern werden.
In Quill werden alle Dreizehnjährigen bei einem gefährlichen Ritual in „Gewollte“ und „Ungewollte“ eingeteilt. Die Ungewollten, die künstlerisch begabt sind, werden von der Gesellschaft ausgeschlossen. Als die Zwillinge Aaron und Alex bei der Zeremonie getrennt werden, stürzt ihr Leben ins Chaos.
Denn Alex ist ein Ungewollter ...
Doch ihn erwartet eine Überraschung: Er kommt nach Artimé, einen geheimen und magischen Ort. Hier werden die Ungewollten unterrichtet. Endlich findet Alex ein Zuhause und Freunde. Doch Aaron und Alex stehen nun auf gegnerischen Seiten, und ein Kampf entbrennt, der das Überleben von Artimé entscheidet ...

"Wächter der Magie" ist der Auftakt einer spannenden Fantasy-Serie von Lisa McMann, die sich an junge Leser ab 10 Jahren richtet. Sowas hält mich aber auch nicht davon ab Bücher dieser Art trotzdem zu lesen und jedem fantasybegeisterten Erwachsenen wird es wohl ähnlich gehen. WÄCHTER DER MAGIE beginnt sehr düster und einige Szenen sind nicht unbedingt für schwache Nerven. Erstaunlich, dass es trotzdem kind- bzw. jugendgerecht ist. Brutal wird es nicht und besonders blutrünstig, trotz all der Kämpfe auch nicht (oh, ich vergaß ... es gibt da eine Szene ... oder mehr als eine ... und diverse Andeutungen ... vielleicht ist es doch ein bisschen blutrünstig ... im erträglichen Rahmen). Tatsächlich ist es erstaunlich wie bunt das Buch und die Handlung werden, sobald Alex Quill hinter sich gelassen hat. Eine wahrhaft magische Welt eröffnet sich ihm, der komplette Kontrast zum grauen und trostlosen absolut spaßbefreiten Land Quill. Aber es ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen und die Ungewollten rüsten sich für den Krieg ... mit Fertigkeiten, die sie nicht für möglich gehalten hätten.
Kreativ und spannend, mit glaubwürdigen Charakteren (auch wenn ich Aaron vielleicht für ein bisschen zu unterwürfig und "böse" erachte). Manchmal mag man an Harry Potter erinnert werden (Mr Today als "neuer" Dumbledore, Alex als Harry und seine Freunde als Harrys Freunde ...), aber man wird dem Roman mit diesem Vergleich nicht gerecht, denn eine vollkommen andere Welt wird beschrieben, die auf ihre Art innovativ und interessant ist und die Leser ebenso faszinieren wird wie Hogwarts. Ich bin auch sehr gespannt, wie es weiter geht, denn auch wenn es ein paar lose Fäden gibt (ich will nicht wieder auf Aaron zurückkommen), so wirkt die Geschichte durchaus abgeschlossen. Aber es geht weiter, und ich freue mich darauf.

Montag, 2. September 2024

Simon Rost: Der fliegende Mönch (Rezension)

Kaspar Mohr (* 1575 in Busenberg, jetzt Hochdorf; † 6. Juli 1625 in Jebenhausen, heute Stadtteil von Göppingen) war Chorherr und (zeitweise) Prior des Prämonstratenserklosters Schussenried. Mohr erfand einen Flugapparat aus federnbesetzten Flügeln, mit dem er einen Flugversuch aus dem Dormitorium im 3. Stockwerk des (alten) Klosters in den Klostergarten unternehmen wollte.
Kaspar Mohr ist, neben anderen Zeitgenossen, der Protagonist in Simon Rosts Roman DER FLIEGENDE MÖNCH, in dem historische Ereignisse mit Fiktion gemischt werden.