Montag, 20. Oktober 2025

T. M. Glaw: Die Hexen vom Tüllinger (Rezension)

Als Hauptkommissarin Jana Vecera aus München eine Woche Urlaub bei einer Freundin im südwestdeutschen Städtchen Stoppingen macht, erwartet sie Ruhe, Natur – und vielleicht ein Glas Wein mit Blick auf den Tüllinger Berg. Doch ein frühmorgendlicher Jogginglauf mit dem Familienhund bringt eine grausige Entdeckung: eine Leiche, drapiert wie in einem Ritual. Was zunächst wie ein Einzelfall wirkt, weckt bald düstere Erinnerungen an zwei ungelöste Morde – vor 30 und vor 60 Jahren, mit erschreckend ähnlichem Modus Operandi. Jana beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln, sehr zum Ärger des örtlichen Kommissars. Ihre Spurensuche führt sie tief hinein in die verdrängte Nazivergangenheit des Dorfes, zu alten Schuldverflechtungen, schweigenden Familien – und einem Hexenbild, das nichts mit der Realität zu tun hat. Ein atmosphärisch dichter Kriminalroman über Schuld und Schweigen, Wahrheit und Verdrängung – und die Geister, die ein Ort nie ganz loswird.
Anders als HULDRYCHS ENDE bezeichnet sich DIE HEXEN VOM TÜLLINGER nicht als Kriminalsatire und nähert sich so mehr dem "normalen" Krimi an. Was der Geschichte auch gut tut. Obwohl ... ganz humorlos ist die Geschichte nicht, aber es wirkt nicht mehr gewollt, sondern geht fließend in die Handlung über. Auch durfte Jana Vecera die Großstadt (wenn man München als solche bezeichnen möchte) verlassen um in der Provinz Urlaub zu machen (oder so ähnlich).
Glaw gelingt es sehr, eine dichte, leicht düstere Stimmung zu erzeugen — der Tüllinger Berg, das ländliche Setting, die Wälder und alten Dorfgassen wirken plausibel und fast „erlebbar“. Die Verknüpfung von Landschaft und Atmosphäre hebt den Krimi über reines Rätselraten hinaus. Da passen drei Frauen, die zusammenwohnen, gerade zu ins Bild und man kann sich denken warum man diese als Hexen bezeichnet. Die Idee, alte ungeklärte Verbrechen mit der Gegenwart zu verbinden und in die historische Schuld einer Region einzuführen, ist nicht neu, lässt aber die Herzen von Cold Cases-Freunden höher schlagen. Und da liegt auch der Reiz des Buchs, wobei man schon fast sagen kann, dass er gerne länger hätte ausfallen dürfen. Ein bisschen hat man das Gefühl dass das Verbrechen etwas zu kurz kommt, da viele neue Charaktere eingeführt werden, die dann aber wenig bis gar nichts mit dem Verbrechen zu tun haben. Das wird dann ein bisschen Cosy. Wer damit kein Problem hat, wird auch dabei Vergnügen empfinden.
180 Seiten sind schnell gelesen, zumal es auch nicht langweilig wird, aber ... mehr wäre auch gegangen und schöner gewesen. Da hätte man vielleicht auch ein besseres Gleichgewicht zwischen CosyCrime und ColdCase bekommen. Aber das ist meckern auf hohem Niveau. Ich wurde gut unterhalten, fand die Atmosphäre des Schauplatzes gut getroffen, die Protagonisten waren sympathisch und natürlich war auch für die entsprechende Spannung gesorgt.
Es werden einige SubGenres bedient, die viele Krimifans ansprechen dürften und doch wirkt das nicht überfrachtet: CosyCrime trifft auf ColdCases, Regionalkrimi trifft auf Historiendrama. Kurz gesagt: Ein unterhaltender Krimi, der viel zu kurz ist.

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