Dienstag, 19. Oktober 2021

Bruno Preisendörfer: Als Deutschland erstmals einig wurde (Rezension)

Als sich Wilhelm I. – von Bismarck dazu gedrängt – 1871 zum Kaiser krönen ließ, war ›sein‹ Berlin noch »die einzige europäische Großstadt, in welcher wir tagtäglich an den Ufern stinkender Rinnsteine wandeln« – Kanalisation gab es nicht. Als 1890 Bismarck ging, waren 144 Kilometer an Kanälen gebaut und 584 Kilometer an Rohrleitungen verlegt.
Was das für die Nasen der Bewohner und die Bewegungsfreiheit des Verkehrs bedeutete, kann man in Bruno Preisendörfers Buch nachlesen.
Ähnlich ging es überall. In unglaublicher Geschwindigkeit wurden Tausende Kilometer Eisenbahnlinien, Strom- und Telegraphenleitungen verlegt, Fabriken gebaut, die Bevölkerung vervielfachte sich. Das Gefälle zwischen Reich und Arm wuchs enorm, alte Arbeits- und Familienstrukturen sowie Wertesysteme zerbrachen. In Bruno Preisendörfers Zeitreise spazieren wir durch die Wilhelmstraße und lernen Haus für Haus ihre Bewohner kennen, besuchen Cafés, Ateliers und Tanzpaläste genauso wie Fabriken, Amtsstuben und Hinterhöfe. Wir zuckeln mit der Bahn in 16 Stunden von Berlin nach Köln, erleben, wie die ersten sechs Mädchen zum Abitur zugelassen werden und wie mit Franziska Tiburtius die erste Ärztin eine Praxis aufmacht. Wir tafeln mit Fontane, gehen mit Ferdinand Lasalle zum Duell, mit Marx zur Arbeiterversammlung, mit Bismarck in den Krieg und mit dem Kaiser zur Krönung.

Als Deutschland erstmals einig wurde ist bereits der vierte Teil einer von Bruno Preisendörfer herausgegebenen Deutschlandreihe. leider sind mir die ersten drei Teile entgangen, aber es ist Bismarck zu verdanken, dass ich auf das Buch, bzw. die Reihe aufmerksam geworden bin. Irgendwie finde ich seine Persönlichkeit und seine Zeit sehr interessant. Und dank dieses Buchs weiß ich noch mehr als vorher ... nicht nur über Bismarck, denn es handelt sich um ein Buch über Deutschland und nicht um eine Biographie einer einzelnen Person.
Das Lesen erinnert an Dokumentationen im Terra X-Stil und lassen die Vergangenheit sehr lebendig werden. Der Leser taucht ein in eine vergangene Zeit und bekommt anhand von Augenzeugenberichten hautnah in die damaligen Zustände ein. Große Persönlichkeiten kommen zu Wort, aber auch das "einfache" Volk, so dass ein Gesamtbild entsteht, wie man es in vielen Geschichtsbüchern vermissen mag.
Die Stellung der Frauen, Deutscher Imperialismus, Krieg und Frieden, der Alltag ... und hier und da ein bisschen Bismarck. Das sind einige der Themen.   
Anschaulich und spannend geschrieben bekommt man Wissen vermittelt, gegen das sich so mancher Schüler verwehrt hat.

Freunde von Geschichtsdokus und der Vergangenheit des eigenen Landes werden an diesem Buch (hoffentlich) nicht vorbeikommen. 

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