Dienstag, 7. Mai 2024

Marion Gibson: Hexen - Eine Weltgeschichte in 13 Prozessen vom Mittelalter bis heute (Rezension)

In 13 Prozessen aus Geschichte und Gegenwart begegnet Marion Gibson Menschen vom Rand der Gesellschaft, meist Frauen, die als böse und gefährlich abgestempelt, als Hexen angeklagt, verurteilt und nicht selten getötet werden. Die Geschichte hat sie zum Schweigen gebracht, Marion Gibson gibt ihnen ihre Stimmen zurück. Sie erforscht die Überschneidungen von Geschlecht und Macht, indigener Spiritualität und kolonialer Herrschaft sowie politischer Verschwörung und individuellem Widerstand – und zeigt, wie in jeder Epoche und an jedem Ort Angst als Waffe gegen unliebsame Menschen eingesetzt werden kann.
Marion Gibson ist Professorin für Renaissance und magische Literaturen an der Universität von Exeter. Obwohl sie bereits einige Bücher über Hexen geschrieben hat ist "Hexen - Eine Weltgeschichte in 13 Prozessen vom Mittelalter bis heute" meines Wissens das einzige, das bisher in deutsch erschienen ist. Hier erzählt sie in 13 Kapiteln die Lebensgeschichten (soweit sie sich rekonstruieren lassen) einiger als Hexen oder Hexer Beschuldigter und auch ihrer Ankläger (die manchmal auch nicht viel anders sind als die sogenannten Hexen). Sie zeigt, dass nicht nur Aberglaube die Ursachen für Anklagen waren, sondern dass es um Neid, Missgunst, Eifersucht etc. etc. ging. Manchmal hat es den Anschein, dass ein falsches Wort, eine falsche Berufung schnell dazu führen konnten als Hexe angeklagt zu werden (und das trifft auf Frauen vielleicht häufiger zu, aber auch Männer konnten Hexen sein, bzw. für solche gehalten werden. Marion Gibson porträtiert aber nicht nur Hexen und Ankläger (bis in die heutige Zeit), sie beschreibt auch die Lebensumstände, die verständlich machen warum auch Unschuldige als Hexen verurteilt wurden (auch wenn es tatsächlich auch Fälle gab, die "Hexen" von allen Anklagen freisprachen.
Marion Gibson nimmt den Leser mit auf eine Reise durch die Zeit und durch die Kontinente und mag vieles bekannte interessant erzählen, aber auch das eine oder neue (oder überraschende) berichten. Ein Buch, dass so spannend wie ein Roman daherkommt und vieles über Hexen aller Zeiten erzählt.
Was mich aber etwas gestört hat, und das ist ein Problem der Übersetzung, ist die geschlechterspezifische Anwendung einer neutralen Bezeichnung. Das mag in der modernen Zeit passend sein wirkt aber verwirrend wenn es um geschichtliche Zusammenhänge geht. Jedenfalls hat mich das oft zum Stolpern im Lesefluss gebracht, da ich das geschichtlich leicht befremdlich fand, ebenso die Verwendung des N-Worts, das, in früheren Zeiten gängig war und meiner Meinung nach im historischen Zusammenhang nach wie vor verwendet werden sollte. So ist das Buch zwar eine informative Zeitreise, lässt aber die Vergangenheit (in der Übersetzung) durch die Sprache in einem anderen Blick erscheinen und die Vermeidung geschlechterspezifischer Bezeichnungen und heute nicht mehr üblichen bzw. beleidigenden sollte nicht in der Verwässerung der Vergangenheit enden, nur weil sich die Sichtweise der Gegenwart geändert hat. Aber das ist meine Meinung, die tatsächlich aber mit dem ursprünglichen (wirklich lesenswerten) Inhalt nichts zu tun hat. Aber um noch einmal auf den Inhalt zurück zu kommen. Die letzten beiden Kapitel hätten leicht ein eigenes Buch füllen können, da versucht die Autorin einen Weg zur modernen Hexe in Medien zu schlagen und versucht einige Themen wie die sogenannte Hexenjagd auf Donald Trump und die metoo-Debatte in ihr Buch zu quetschen. Das waren die weniger interessanten Kapitel und auch der Zusammenhang mit eigentlichen Hexen wirkte konstruiert. Die ersten Kapitel entschädigen aber auch in ihrer Ausführlichkeit für die letzten Seiten. 

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