Mittwoch, 1. November 2023

Vernon Lee: Amour dure - Unheimliche Erzählungen (Rezension)

Vernon Lees elegante, anspielungsreiche Erzählungen berichten von Italien-Reisenden, die alten und dunklen Mächten zum Opfer fallen, Da ist DIonea, eine verführerische unge Frau, die einen Bildhauer ins Verderben stürzt. - Medea, eine Schönheit der Renaissance-Zeit, brachte all ihren Liebhabern den Tod, doch hindert dies einen jungen Gelehrten nicht, ihrem Traumbild nachzujagen. "Amour dure" - diesen Wahlspruch Medeas soll auch der seine sein. - Eine verruchte Stimme aus dem 18. Jahrhundert klingt an das Ohr eines Komponisten, der verzweifelt bemüht ist eine nordische Oper zu schaffen. Den jungen Winthrop schließlich erfolgt das Bildnis eines Mannes, dessen gespenstisches Nachleben er zu ergründen sucht.
Violet Paget, besser bekannt unter ihrem Pseudonym Vernon Lee (* 14. Oktober 1856 in Boulogne-sur-Mer; † 13. Februar 1935 in San Gervasio Bresciano) war eine britische Schriftstellerin und Essayistin, die heute überwiegend wegen ihrer fantastischen Literatur bekannt ist. Ich gebe zu, dass ich sie nicht kannte, und dass ich angenommen habe, dass es sich bei Vernon Lee um einen Mann handelt, ein Missverständnis das beabsichtigt war, da man damals als Mann erfolgreicher war als heute und es leichter war unter eine männlichen Pseudonym zu schreiben.
Drei der vier Geschichten waren vorher bereits auf deutsch erschienen, nur Winthrops Abenteuer ist hier erstmals übersetzt worden. 
Amour dure ist ein Buch, das sich für nebelverhangene Abende eignet, so wie man sie sich für einen späten Herbst wünschen würde (und was zu Halloween besser passt als strahlender Sonnenschein).
Die Autorin bietet viktorianische Schauergeschichten, die auf unheimliche und oft subtile Weise Grauen erzeugen. Die düsteren, teils selbstzerstörerischen Züge der Protagonisten, das unausweichliche tragische und oft vorhersehbare Ende der Geschichten, der poetische Schreibstil lässt den Leser in eine andere Zeit gleiten und sich die Erzählungen im SchwarzWeiß-Kopfkino vorstellen. Überzeugt hat mich aber nur Winthrops Abenteuer. Dort konnte ich wahres Grauen empfinden, die anderen Geschichten waren sehr langatmig, vor allem die Titelgeschichte "Amour dure", welche auch die längste ist, war etwas zu poetisch und schwer verdaulich was den Schreibstil anbelangte.
An Autoren wie Bram Stoker, Mary Shelley oder H. P. Lovecraft kommt Vernon Lee meiner Meinung nach nicht heran, aber ich habe dadurch zumindest eine neue Gruselautorin kennengelernt. Und von diesen gibt es ja nicht so viele.
Wer sich aber wirklich gruseln will (wenn es neblig und dunkel ist), der sollte sich Dracula oder Frankenstein zu Gemüte führen. Klassiker, die jeder zu kennen scheint, aber kaum jemand gelesen hat ...

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