Freitag, 5. November 2021

Frank W. Haubold: Das Kalanos-Projekt (Rezension)

Im Jahr 2030 ist das öffentliche Leben in der Union durch zahlreiche Restriktionen eingeschränkt und die Städte gleichen streng kontrollierten Sicherheitszonen. Als der Schriftsteller Fabian Grünberg von einem libertären Projekt erfährt, das sich auf der Mittelmeerinsel Kalanos etabliert hat, beschließt er, diese vielleicht letzte Chance zu nutzen und auszuwandern. Nach einer abenteuerlichen Überfahrt erreicht Fabian zusammen mit einer Handvoll Gleichgesinnter die Insel Kalanos, die in vielerlei Hinsicht seine kühnsten Erwartungen übertrifft. Schnell wird ihm jedoch klar, dass mit seinem neuen Leben etwas nicht stimmen kann. Als die Hintergründe offenbar werden, stellt er sich dennoch bereitwillig in den Dienst des Projektes, das jenseits aller Grenzen das Überleben der Menschheit sicherstellen soll …
Ich bin etwas zwiegespalten. Auf der einen Seite ist der Schreibstil gut und auch der wissenschaftliche Hintergrund und die technologische Entwicklung ist nachvollziehbar. Auch die philosophische Fragestellung, die sich mit den Werten des Menschen auseinandersetzt ist greifbar und nicht zu abstrus. Allerdings auch nicht ganz neu. Aber niemand muss das Rad neu erfinden und wenn man gut unterhalten wird liest man auch ein altbekanntes Thema immer wieder. Wobei ich etwas abschweife, denn auch wenn die Thematik an sich hin und wieder in der ScienceFiction zu finden ist, so wird der Markt damit auch nicht überschwemmt.
Der Roman liest sich gut, die wissenschaftlichen Grundlagen der Utopie sind gut nachvollziehbar. Die menschliche Existenz hat sich von allem irdischem gelöst und existiert zunächst so, dass das Bewusstsein der Menschen auf Rechnern gespeichert wird. Später sind selbst diese nicht mehr nötig und ein Wesen, welches aus vielen menschlichen "Seelen" besteht, bewegt sich durchs Weltall. Die philosophischen Ideen, die im Roman verarbeitet sind, auch in Bezug auf ewiges Leben, haben mich zum großen Teil angesprochen und regen zum nachdenken an. Wohin werden wir uns entwickeln? Zurück zum einfachen Leben, aber auf einer höheren Bewusstseinsebene? Interessante Utopie, auf jeden Fall! 
Das Kalanos-Projekt bietet eine interessante Grundidee, viel Stoff zum Nachdenken, einen nachvollziehbaren Hintergrund ... aber so perfekt das alles klingt, so bleibt es das auch auf einer kühlen, distanzierten Art. Es klingt fast wie die Erschaffung einer perfekten Welt und die handelnden Personen bleiben farblos und weniger greifbar als die Idee hinter der Story. Und das ist der Schwachpunkt, der das Lesevergnügen stört. Die Protagonisten sind austauschbar, ich konnte keinen Bezug zu ihnen erstellen und mir waren ihre Handlungen egal. Das wirkt sich auch auf die Spannung aus, denn interessant zu lesen war es, aber ... eine virtuelle Welt der Zukunft (die durchaus nicht perfekt ist und in einiger Hinsicht, zum Beispiel in Bezug auf die Stellung der Frau, ein bisschen archaisch anmutet) sollte mehr Potential für Spannung aufweisen und auch Platz für interessante Charaktere bieten. Fast wünschte ich, dass es sich um ein Sachbuch über eine Utopie handelt, ohne störende menschliche Komponente.

Eine interessante Idee, die in der Umsetzung nicht ganz überzeugen kann.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Durch das Kommentieren eines Beitrags auf dieser Seite werden automatisch über Google personenbezogene Daten erhoben. Diese Daten werden ohne Ihre ausdrückliche Zustimmung nicht an Dritte weitergegeben. Weitere Informationen finden Sie in der Datenschutzerklärung. Mit dem Abschicken eines Kommentars wird die Datenschutzerklärung akzeptiert.