Ich habe mehr erwartet. ZIRKUS DER WUNDER verspricht eine skurrile Freakshow, ein Monströsitätenkabinett wie man es aus den vergangenen Jahrhunderten kennt. Fernsehserien oder Filme feuern die Fantasie der Zusehenden an und die Dame mit Bart, die Schlangenfrau oder der Starke Mann sind Gestalten, mit denen jeder etwas anfangen kann. Dementsprechend hatte ich hohe Erwartungen, die zwar nicht erfüllt wurden, ich aber nicht sagen kann, dass mir das Buch nicht gefallen hat. Es war einfach anders als ich dachte, aber keine Enttäuschung.
ZIRKUS DER WUNDER ist ein sehr atmosphärischer Roman, der an einigen Stellen ziemlich düster ist und jenseits jeglicher Romantisierung. Die Charaktere werden als Persönlichkeiten wahrgenommen und agieren als solche und nicht als die Kuriositäten oder Freaks, als die sie zur Schau gestellt werden.
Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von drei Personen, die aufgrund ihres eigenen Hintergrunds die Geschehnisse auf ihre Weise wahrnehmen und dem Leser ein Gesamtbild vermitteln, die auch viel zum Hintergrund der Protagonisten beitragen.
Nell, die "Missgestaltete", die vom "hässlichen Entlein" zum Zirkusstar avanciert und auch im Königshaus Einlass bekommt; Japser, der Impresario des Zirkus, der mit seiner Show noch bekannter werden möchte als der große P. T. Barnum und Toby, sein Bruder eine eher unscheinbare Gestalt, noch auf der Suche nach der eigenen Identität und ständig im Schatten seines Bruders.
Der Schreibstil ist angenehm und man kann sich gut in Zeit und Charaktere hineinversetzen, nur die Erzählweise wirkt manchmal etwas oberflächlich, so dass man vieles nur erahnen kann und es in einigen Belangen an der Intensivität fehlt, die man erwarten dürfe, zum Beispiel, was die Liebesgeschichte zwischen Nell und Toby anbelangt. Anderes, zum Beispiel das Leben im Zirkus oder die Schicksale der Charaktere, wird sehr bildlich dargestellt (wobei man auch die Dramatik der "nicht normalen" Zirkusleute besser hervorheben könnte).
Und doch entwickelt ZIRKUS DER WUNDER seinen eigenen Reiz, der den Leser nicht mehr loslassen will. Ruhig erzählt und doch ergreifend. Ein historischer Roman, der reißerisch sein könnte, sich aber auf die Menschen konzentriert und das, was man vielleicht früher als Monster oder Abnormitäten bezeichnet hätte, bleibt hier so menschlich wie die Gestalten, welche dafür zahlen, sie zu Gesicht zu bekommen.
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