Dienstag, 25. März 2025

Antonio Pigafetta: An Bord mit Magellan (Rezension)

Nur wenige Mitglieder der Crew überlebten die erste historisch belegte Umsegelung der Erde. Einer von ihnen war der italienische Ritter Antonio Pigafetta, der seine abenteuerlichen Erlebnisse in einem detaillierten und farbenfrohen Reisebericht schilderte. In Christian Jostmanns feinfühliger Übersetzung des Originaltextes lässt sich dieser Klassiker der Reiseliteratur nun wieder auf Deutsch entdecken.
Ferdinand Magellan stach im Auftrag der spanischen Krone in See, um eine Westroute zu den sagenhaften Gewürzinseln, den Molukken, zu finden. Mit an Bord war Antonio Pigafetta, der während der dreijährigen Reise fleißig Tagebuch führte. Stoff dafür gab es mehr als genug. Eindrücklich schildert er den entbehrungsreichen Alltag auf den Schiffen, all die Gefahren und Abenteuer sowie den Kampf gegen die Elemente, den die Besatzung durchstehen musste. Vor allem aber erzählt er von seinen zahlreichen Begegnungen mit den Menschen anderer Kulturen: den Tupi im heutigen Brasilien, den Tehuelche Patagoniens, den Chamorros auf Guam, den Visayern auf den heutigen Philippinen, den Einwohnern Mindanaos, Borneos, der Molukken und Timors. Mit geradezu ethnologischem Blick und erstaunlich einfühlsam beobachtete Pigafetta genau, was er sah, stellte mit Hilfe von Dolmetschern Fragen und lernte sogar selbst die Sprachen der Indigenen. Sein Reisebericht ist geprägt von einem neugierigen Blick auf das Fremde und zeichnet das eindrucksvolle Bild einer bunten, wilden, offenen und unbegreiflich weiten Welt.

Antonio Pigafetta entstammte einer vornehmen Familie aus Vicenza, die außer ihm noch weitere namhafte Verfasser von Reiseberichten hervorbrachte: den Orient- und Afrika-Reisenden Filippo sowie Marc'Antonio Pigafetta, der 1567/68 an einer diplomatischen Mission an die Hohe Pforte teilnahm. Antonio Pigafetta kam im Frühjahr 1519 als Mitglied einer päpstlichen Gesandtschaft an den Hof des spanischen Königs Karl I. Dort erfuhr er von Magellans Expedition, die zur selben Zeit in Sevilla vorbereitet wurde, und erhielt vom König die Erlaubnis, als „Sobresaliente“ an der Reise teilzunehmen.
Während der gesamten, fast drei Jahre dauernden Reise führte Pigafetta, wie er selbst erklärte, Tagebuch Unterwegs studierte er indigene Sprachen und machte sich mehrfach als Übersetzer nützlich. Als Magellan auf den Philippinen, die er als erster Europäer im März 1521 erreichte, im Kampf mit Einheimischen den Tod fand, erlitt auch Pigafetta eine Verwundung. 1522 erreichte Pigafetta die Insel Timor. Nachdem die Insel bereits 1512 von António de Abreu entdeckt worden war, lieferte Pigafetta als Erster eine Beschreibung Timors, wo er 18 Tage verbrachte. Am 8. September 1522 kehrte er auf der Nao Victoria nach Sevilla zurück. Die Victoria war das einzige von den fünf Schiffen der Expedition, das nach Europa zurückkehrte, nachdem es – als erstes Schiff, von dem die Geschichte weiß – einmal die Erde umrundet hatte. Pigafetta übergab Kaiser Karl V. eine Abschrift seines Tagebuchs. Von der Weltumrundung berichtete er auch König Johann III. von Portugal und Luise von Savoyen, der Mutter des französischen Königs Franz I. Ab 1523 hielt er sich wieder in Italien auf. Spätestens seit 1524 war er Ritter des Ordens vom Heiligen Johannes von Jerusalem und Rhodos und Inhaber der Kommende Norcia, Todi und Arquata. Sein weiteres Schicksal ist nicht bekannt. Das Tagebuch, das Antonio Pigafetta während der Reise führte, ist nicht im Original erhalten. Wahrscheinlich um 1524 verfasste Pigafetta einen literarischen Reisebericht, der in vier handschriftlichen Kopien überliefert ist, drei davon auf Französisch und eine auf Venetisch. Bei keinem dieser vier handschriftlichen Textzeugen handelt es sich um ein Autograph Pigafettas, sie werden aber, da sie inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmen, als authentisch angesehen. Ca. 1525 erschien in Frankreich im Druck eine gekürzte französische Fassung seines Berichts, die, ins Italienische übersetzt und abermals gekürzt, 1536 auch in Italien gedruckt wurde. Diese Fassung fand wiederum Eingang in den ersten Band von Giovan Battista Ramusios Sammlung von Reiseberichten Delle navigationi et viaggi (Venedig 1550). Im Jahr 1800 fand Carlo Amoretti in der Biblioteca Ambrosiana die venetische Abschrift von Pigafettas Bericht und gab sie im Druck heraus. Amorettis Edition bildete im 19. Jahrhundert die Basis für zahlreiche Übersetzungen in andere Sprachen und Neuausgaben. Die erste kritische Edition datiert von 1894 und stammt von Andrea da Mosto. Pigafettas „klare und präzise Sprache trägt zusätzlich zur Glaubwürdigkeit der Beobachtungen bei“ – gleich ob es um die Beschreibung der Zustände an Bord oder der Flora und Fauna an Land gehe, ob um nautische Fakten oder die Menschen und ihre Gebräuche an den besuchten Küsten. Bis zum Erreichen der Gewürzinseln, des Ziels der Reise, sind die Längengrade wohl absichtlich falsch angegeben. Pigafetta ist „erstaunlich vorurteilsfrei, auch wenn seine Berichte teilweise ein wenig ins Fiktionale abzugleiten scheinen“. Juan Sebastián Elcano, der nach Magellans Tod Kommandant der Victoria wurde, erwähnt Pigafetta mit keinem Wort.
Der Historiker Christian Jostmann wurde 1971 in Bielefeld geboren. Nach seinem Abitur am Ratsgymnasium Bielefeld und dem Zivildienst in der Missionsärztlichen Klinik Würzburg studierte er Geschichte, Soziologie, Psychologie und Hispanistik in Würzburg, Bielefeld und Madrid. 2004 wurde er an der Universität Bielefeld mit einer Dissertation über die sibyllinische Literatur des Spätmittelalters promoviert. Als Gutachter fungierten Neithard Bulst und Klaus Schreiner. Von 2002 bis 2011 war Jostmann Autor des Feuilletons der Süddeutschen Zeitung. Seit 2006 schreibt er für die österreichische Wochenzeitung Die Furche. 2005 initiierte er gemeinsam mit dem Fotografen Bernd Ctortecka die Ausstellung „Nach Schengen. Zur Ästhetik der Grenze“.
AN BORD MIT MAGELLAN besticht durch die authentische, zeitgenössische Schilderung der Weltumsegelung unter Magellan. Der eigentlichen Schilderung stehen einige Erklärungen des Übersetzers voran: Die teilweise widersprüchliche oder nicht ganz eindeutige Quellenlage, die Person des Antonio Pigafetta und seine Motive. Fußnoten geben zusätzliche Erklärungen und machen den Text verständlicher, auch wenn manches für die heutige Zeit fast schon phantastisch klingt und viele Orte nicht eindeutig zugeordnet werden können. Was für mich auch den Reiz dieses (oder vergleichbarer Reiseberichte der großen Entdecker) ausmacht. Pigafetta beschreibt kaum das leben an Bord, sondern konzentriert sich auf Land, die Natur und die Völker. Das nimmt man aus heutiger Sicht ganz anders war als es damals der Fall gewesen sein muss. Aber auch so merkt der "moderne" Leser die Faszination einer neuen unbekannten Welt.
Um eine Weltumsegelung handelte es sich damals übrigens nicht, das ließen die damaligen politischen Verhältnisse gar nicht zu, aber das schmälert diesen Bericht nicht und ist für jeden Freund alter Reise- und Abenteuergeschichten eine kurzweilige Lektüre.

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