Donnerstag, 27. Juli 2023

Tom Sharpe: Puppenmord (Rezension)

Henry Wilt ist Hilfslehrer an einer Berufsschule auf dem platten Lande, beruflich und im Eheleben tritt er auf der Stelle. Der Mittdreißiger hat es seit zehn Jahren mit künftigen Gasinstallateuren, Maurern und Fleischern zu tun, denen er die hohe Literatur näher bringen soll. Daheim erwartet ihn seine Frau Eva, sexuell unbefriedigt und schnell für alle möglichen modischen Ersatzbeschäftigungen zu begeistern: Judo, Töpfern, Meditation. Schließlich, an einem ihrer erträglicheren Tage und durch nie zuvor gehörte Libertinage-Phrasen aufgestachelt, ist sie fest entschlossen zur Emanzipation von ihrem Gatten und lustlosen Bettmuffel. Dass dies Wilt zum Äußersten treibt, ist nur allzu verständlich. Der Pechvogel probt den Aufstand und Mord an einer Sexpuppe, aber das hat äußerst peinliche Nebenwirkungen...
PUPPENMORD dürfte das bekannteste Werk Sharpes sein. 1989 wurde es verfilmt, aber an den Film erinnere ich mich nicht mehr. Das Buch ist mir aber als sehr abgedreht in Erinnerung geblieben (obwohl ich nicht sagen kann ob ich es zum ersten Mal gelesen habe bevor der Film herauskam oder danach, aber egal ...). In einem öffentlichen Bücherschrank (immer wieder eine Fundgrube für ältere Bücher und eine Reise in die eigene Vergangenheit) fand ich dann ein Exemplar (wie auch andere Tom Sharpe-Romane) und da konnte ich nicht NEIN sagen.
PUPPENMORD mag in manchen Ansichten vielleicht überholt sein, aber Sharpe kann gut schreiben und so nimmt er den Leser in eine etwas abgedrehte Reise in die Vergangenheit der 70er/80er des 20. Jahrhunderts. Fast pedantisch greift Tom Sharpe jedes Klischee verschiedener Gesellschaftsformen auf, das gelangweilte Vorstadt-Ehepaar ohne Sex, erfolglos bzw. unzufrieden mit sich und der Welt (oder dem Partner), die reichen Nachbarn mit ausgefallenem Sexleben ... Geboten wird das was man von Sharpe kennt: Eine Aneinanderreihung von Missverständnissen und sexueller Ausschweifungen. Highlights hier sind die Verhöre mit Wilt, bei denen man nicht sicher ist wer mehr leiden muss: Der wortgewandte Berufsschullehrer oder der Kommissar, der von Wilts Schuld absolut überzeugt ist. Denn da Wilts Frau verschwunden ist, ist es naheliegend dass der Mann der Mörder ist.
In PUPPENMORD zeigt Sharpe sein ganzes Können, und auch wenn manche Ausdrücke inzwischen nicht mehr so ganz politisch korrekt sind ... ein unterhaltsamer Lesespaß wird auf jeden Fall geboten. Und wenn man das Spiel der Klischees mag ... wird voll auf seine Kosten kommen.

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