Freitag, 9. Juni 2023

Jean-Christophe Grange: Die marmornen Träume (Rezension)

Berlin 1939: Während die Welt dem Grauen des Zweiten Weltkrieges entgegenblickt, treffen sich die schönen Damen der Nazi-Elite zum Champagner im Adlon. Sie scheinen unantastbar. Bis an der Spree eine brutal zugerichtete Frauenleiche gefunden wird. Sie war eine von ihnen, und die Spur des Täters reicht bis in die obersten Führungskreise des Regimes. Jean-Christophe Grangé mit seinem ersten historischen Berlin-Thriller: eine erbarmungslose Jagd in den finstersten Abgründen der menschlichen Existenz.
Simon Kraus ist ein brillanter Psychoanalytiker und Traumforscher. Und er ist ein gerissener Gigolo: Erst verführt er seine Klientinnen, allesamt Ehefrauen hochrangiger Nazi-Funktionäre, dann erpresst er sie für sein Stillschweigen. Ein lukratives Geschäft. Doch eines Tages sucht ihn der SS-Offizier Franz Beewen auf: Eine von Kraus’ Klientinnen wurde grausam ermordet. Sie gehörte zum Wilhelmklub, einem illustren Zirkel reicher Nazi-Frauen, der jeden Tag im Hotel Adlon zusammenkommt. Während Simon Kraus im Adlon unauffällig seine Kontakte spielen lässt, werden weitere Frauenleichen entdeckt. Unversehens gerät Kraus immer tiefer in die Ermittlungen der Gestapo gegen den brutalen Mörder – und mit ihm die Psychiaterin Minna von Hassel, die mit ganz eigenen Dämonen ringt. Gemeinsam müssen sie erkennen, dass das Böse bei Weitem nicht nur dort lauert, wo man es vermutet.
Kann ein Franzose einen Roman über Deutschland schreiben, erzählt aus Sicht der Deutschen zur Zeit des Nationalsozialismus? Ich war skeptisch und das aus mehreren Gründen:
Der zweite Weltkrieg gehört nicht unbedingt zu der Zeit aus der ich Bücher lese oder Filme sehe. Grangé ist ein guter Autor, allerdings konnte mich nicht jedes seiner Bücher überzeugen.
Aber ich wurde angenehm überrascht. Ich würde DIE MARMORNEN TRÄUME nicht als Thriller bezeichnen, da hat der Autor schon anderes abgeliefert. Hier hat er einen raffinierten Krimi geschaffen, der auf brutale Szenen weitgehend verzichtet, bzw. diese so subtil beschreibt, dass sie fast nebensächlich erscheinen aber dadurch viel beeindruckender in den Köpfen der Leser hängenbleibt und auf beängstigende Weise den Geist dieser Zeit beschwört. Gleichzeitig zeigt er, dass nicht jeder GESTAPO-Offizier ein hirnloser Befehlsbefolger ist. DIE MARMORNEN TRÄUME ist ein spannender Krimi voller überraschender Wendungen, der auf allen Ebenen überzeugt, auch wenn er gegen Ende einige Längen aufweist (wie so viele andere Romane von Grangé). Auch findet man einige Ungereimtheiten, die zur damaligen Zeit nicht passen mögen und vielleicht der heutigen Zeit verschuldet sind. So ist es unwahrscheinlich, dass okay damals ein gebräuchlicher Ausdruck der Nazis war. Trotzdem schafft Grange ein ungemein lebendiges Berlin der Kriegszeit und kreiert einen durchaus glaubwürdigen Krimi, mit faszinierenden Hauptpersonen vor erschreckender Kulisse.


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