Deutschland ist nach dem Zweiten Weltkrieg keine wieder- oder neugeborene Demokratie, sondern eine besiegte Nation, die von Wunderheilern, Hexenprozessen, Obsessionen, apokalyptischen Visionen und Hoffnungen auf einen Messias heimgesucht und erschüttert wurde.
Ein Spuk apokalyptischer Visionen und Obsessionen des Bösen sucht Deutschland nach der Niederlage 1945 heim. Bei Massenveranstaltungen treten Messiasgestalten und Wunderheiler auf. Verschwörungserzählungen haben Hochkonjunktur. Bruno Gröning ruft zur »Großen Umkehr« und leitet einen göttlichen »Heilstrom« an Kranke weiter. Eine zwanghafte Beschäftigung mit dem Bösen verbindet diese Ereignisse mit dem zurückliegenden Vernichtungskrieg und dem verdrängten Holocaust. Über die Schuld und die Schuldigen wird beharrlich geschwiegen. »Realitätsflucht« und die Unfähigkeit, »zwischen Fakten und Meinungen zu unterscheiden«, lautete bereits vor über 70 Jahren die Diagnose von Hannah Arendt. Diese andere, sehr aufschlussreiche Gegengeschichte Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg schildert die international renommierte Sozial- und Kulturhistorikerin Monica Black.
Deutsche Dämonen entpuppte sich für mich als kleine Enttäuschung. Ich hatte andere Erwartungen an das Buch. Vielleicht hatte auch mehr reißerischen Journalismus erwartet, aber es geht auch anders. Für jemanden, der die entsprechende Zeit nicht miterlebt hat ist es auch schwierig, den Zeitgeist zu erfassen, aber ich denke, zumindest das hat Monica Black gut in Szene gebracht, wobei mir vielleicht auch lieber gewesen wäre, wenn ein deutscher Autor sich der Sache angenommen hätte und nicht unbedingt eine Amerikanerin. Sie macht ihre Sache zwar größtenteils gut, aber es besteht ein gewisser Beigeschmack, der durchaus auch von (meinen) Vorurteilen geprägt ist.
Deutsche Dämonen befasst sich größtenteils mit einem einzigen Nachkriegswunderheiler: Bruno Gröning hielt in den 1950er Jahren in der damaligen BRD zahlreiche Geistheilungsvorträge und wurde von seinen Anhängern als Wunderheiler angesehen. Er behauptete, einen von Gott gesandten „Heilstrom“ an Kranke weiterzuleiten. Mehrmals geriet Gröning mit dem Heilpraktikergesetz in Konflikt und wurde in diesem Zusammenhang wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.
Die Konzentration auf einen "Wunderheiler" ist Stärke und Schwäche zugleich, denn die im Untertitel suggerierten Hexen, Wunderheiler und die Geister der Vergangenheit im Nachkriegsdeutschland kommen dadurch etwas zu kurz. Dafür wird der Fall Gröning sehr detailliert beschrieben. Eine zwanghafte Beschäftigung mit dem Bösen verbindet diese Ereignisse mit den Erlebnissen der Deutschen im zweiten Weltkrieg. Allerdings ergießt sich die Autorin, so genau sie in manchen anderen Dingen recherchiert haben mag, hier auch in Mutmaßungen, die sie nicht eindeutig belegen kann. Von daher muss man oft zwischen Tatsachen und Vermutungen unterscheiden, was dank diverser Quellenangaben gut gelingt. Ein ergänzendes Literaturverzeichnis wäre allerdings auch hilfreich gewesen
Wer sich für die Person des Bruno Grönings und seines Wirkens interessiert, wird in diesem Buch viel Wissenswertes erfahren, auch wenn es sich nicht explizit um eine Biografie des Wunderheilers handelt. Wer allerdings Hexenverfolgungen in der Nachkriegszeit erwartet hat (so wie ich) wird eine Enttäuschung erleben.
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