Dienstag, 8. Dezember 2020

H. P. Lovecraft: Der Fall Charles Dexter Ward (Rezension)

Der Fall Charles Dexter Ward ist eine Warnung vor den Gefahren historische Forschung; ein junger Liebhaber der Genealogie und der Geschichte allgemein dringt in die Geschichte seiner eigenen Vergangenheit ein und stößt dabei auf einen höchst unguten Vorfahren, Robert Curwen, der sich mit vormenschlichen bösen Mächten eingelassen hat. Seine mit wissenschaftlicher Akribie betriebenen Nachforschungen wecken ein Böses, das längst noch nicht tot ist; sein wiedergängerischer Vorfahr bemächtigt sich des Willens und der äußeren Gestalt seines Urenkels, um seine ruchlosen Beschwörungen und dämonischen Riten in der Gegenwart fortzusetzen – mit den entsetzlichen Folgen, die der Leser Lovecrafts zu Recht vermutet. 
Der Fall Charles Dexter Ward wurde 1927 geschrieben und erst nach Lovecrafts Tod 1941 im Magazin Weird Tales publiziert. Der Roman beginnt wie eine Beschreibung Neuenglands mit historischen Anekdoten und Ereignissen. Lovecraft beschreibt ausführlich, aber nie langweilend, das Szenario, bevor er den Leser langsam an das Unheimliche heranführt. Dabei deutet er anfangs nur an und erzielt mit angeblich authentischen historischen Belegen und einer nüchternen Erzählweise eine beklemmende Stimmung, die das wahre Grauen erst nach und nach offenbaren. 
Leise und ruhig wächst das Grauen, es schleicht sich in die Gedanken des Lesers ein und kommt dabei ohne brutale oder blutige Beschreibungen aus.
Lovecraft gelingt ruhiger Horror, der erst Gruselt und dann das Fürchten leert.
Es mag nicht jedermanns Geschmack sein, ich selbst habe lange gebraucht um Zugang zu Lovecrafts Werken zu bekommen, aber inzwischen gehört er zu meinen Lieblingsautoren, der sich gut in der jetzigen nebligen Jahreszeit lesen lässt.

So bedrohlich wie Nebel wirkt Der Fall Charles Dexter Ward, dass man sich dem Grauen kaum entziehen kann (und will). Für mich ist das eine der besten Geschichten Lovecrafts (und meines Wissens auch die längste)

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