Donnerstag, 20. Januar 2022

Bethan Roberts: Der Liebhaber meines Mannes (Rezension)

Marion ist hingerissen von Tom, dem großen Bruder ihrer besten Freundin, einem unverschämt gutaussehenden jungen Mann mit blonden Locken und blauen Augen. Gleich bei der ersten Begegnung, da sind sie noch Teenager. Für sie ist er der Mann ihres Lebens, und so übersieht sie alle Zeichen, jeden Hinweis, dass Tom sich nicht für sie interessiert. Nicht für sie als Frau. Trotzdem hofft sie auf einen Heiratsantrag, und als er ihn endlich macht, ist sie glücklich. Ihre Liebe wird für sie beide reichen. Aber Tom hat ein anderes Leben, ist in andere Gefühle verstrickt. Sein ganzes Interesse gilt Patrick, dem Kurator des Museums in Brighton, der sich in Tom verliebt hat und ihm eine völlig neue Welt eröffnet. Für Tom ist die Ehe das sichere Versteck in einer Zeit, in der Homosexualität gesellschaftlich und gesetzlich geächtet ist. So teilen ihn die beiden Liebenden, bis einer es nicht mehr aushält und drei Leben ruiniert. Bethan Roberts erzählt diesen Roman aus Marions und aus Patricks Perspektive, zärtlich und mit großer Empathie. Es ist eine Geschichte verschwendeter Jahre, unmöglicher Liebe und durchkreuzter Hoffnungen in den 60er-Jahren, als sich die radikale Veränderung, wie man lebt und liebt, schon ankündigte, aber noch lange nicht lebbar war.
Der Liebhaber meines Mannes ist ein Sittenbild der 60Jahre und gibt eine Momentaufnahme der Situation der Homosexuellen zur damaligen Zeit wieder. Für viele ist dies ein sensibles Thema, vor allem für jene, welche diese Zeit selbst erlebt haben (egal ob in England oder in Deutschland). Und Bethan Roberts beschreibt diese Zeit sehr einfühlsam aus der Sicht von zwei Menschen, einem Homosexuellen, der verstecken muss, was er ist und einer Frau, die nicht wahrhaben will, wen sie geheiratet hat.
Leider hat mich die Geschichte nicht berührt. ich weiß nicht, ob es ein guter Schachzug war, zwei Seiten einer Geschichte zu erzählen, da ich so den Eindruck bekam, dass irgend etwas auf der Strecke blieb, vor allem auf der gefühlsmäßigen Ebene. Ich konnte mich gut in die damalige Zeit hineinversetzen, die Protagonisten und ihre Motive waren für mich nachvollziehbar und doch ... hatte ich mehr erwartet? Vielleicht ...
ich will nicht sagen, dass es am Schreibstil lag, dieser war flüssig und den Begebenheiten angemessen, die Charaktere waren nachvollziehbar und nichts wirkte übertrieben. Aber ich kann nicht sagen, dass mir die Geschichte nahegegangen wäre. Liegt es an meiner Gefühlslosigkeit? Ich weiß es nicht.
Wer sich für die Situation von Homosexuellen in England der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts interessiert, wird das Buch vielleicht interessant finden. Eine romantische Liebesgeschichte (egal welcher Art)darf man allerdings auch nicht erwarten ... obwohl: Vielleicht ist Der Liebhaber meines Mannes eine außergewöhnliche Liebesgeschichte, die allerdings anders ist, als man es vermuten lässt und sehr sehr subtil. Wenn man denn etwas anderes in den Text hinein interpretieren möchte.

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