Montag, 13. Oktober 2025

R. F. Kuang: Katabasis (Rezension)

Katabasis: Die Geschichte eines Helden, der in die Unterwelt hinabsteigt.
Alice Law hat ihr ganzes Leben lang nur ein Ziel verfolgt: die Beste auf dem Feld der Analytischen Magie zu werden. In Cambridge, als Doktorandin des weltberühmten Professors Jacob Grimes, scheint ihr Traum endlich in Erfüllung zu gehen. Zumindest, bis Grimes bei einem Unfall stirbt, an dem Alice möglicherweise nicht ganz unschuldig ist. Kurzerhand beschließt sie, ihrem Professor in die Hölle zu folgen. Dumm nur, dass ihr Erzrivale Peter Murdoch dieselbe Idee hat.
Mit den Berichten von Orpheus, Dante und T. S. Eliot im Gepäck brechen die beiden auf, um die Seele ihres Mentors zu retten - welchen Preis sie dafür auch zahlen mögen. Doch die Hölle ist nicht so, wie erwartet, und Magie nicht die Antwort auf alles. Denn Alice und Peter verbindet etwas, das sie entweder zu perfekten Verbündeten macht oder für ihren Untergang verantwortlich sein wird.

Dantes Inferno trifft Dark Academia und griechische Heldenreise ... und das auf modern. Zumindest klingt das so und ich gebe zu, dass der Stoff durchaus neugierig macht. Bisher war mir Rebecca Kuang nur von YELLOWFACE bekannt, aber das Buch fand ich überragend gut und auch wenn BABEL noch darauf wartet gelesen zu werden, waren meine Erwartungen doch etwas hoch.
Die Grundidee, dass Studenten in die Hölle reisen um ihren verstorbenen Professor zurückzuholen, ist eine interessante Neuinterpretation vieler Sagen, in denen das gleiche passiert, auch wenn es dabei eher um Helden und ihre Geliebten geht. Der Ansatz ist gleich, aber fast schon muss ich sagen, dass die griechischen Sagen, diesbezüglich interessanter sind. Dantes Inferno habe ich nicht gelesen, aber KATABASIS hat ein verstärktes Interesse daran geweckt. KATABASIS selbst ... nun, das hat mich etwas enttäuscht. Die literarischen und philosophischen Ausflüge der Autorin in die Gefilde der Reise in die Hölle fand ich durchaus amüsant, aber der Rest des Buchs konnte mich weniger überzeugen. Dabei ist die Hölle, wie sie Kuang beschreibt eigentlich eine ziemlich angenehme, da sie nicht auf Fegefeuer und Satan der christlichen Mythologie basiert sondern viel weitreichender ist und viele verschiedene Mythen durchaus gekonnt mischt. Statt glühender Feuerseen oder dem klassischen Inferno entwirft Kuang eine Unterwelt, die oft bürokratisch, surreal und zugleich grausam wirkt. Die Hölle übernimmt Züge der Universität administrativ, ritualisiert, mit Machtspielen und Unterordnung. Anders gesagt: Universitäres Versagen in Reinstkultur ... PHD-Studenten wissen, was gemeint ist.
Aber: Alice und Peter sind sehr schnell in der Hölle, fast problemlos erreichen sie das Reich. Und dann bleiben sie hunderte von Seiten dort und auch wenn die einzelnen Höfe, durch die sie wandern müssen, das Potential für viele interessante Konflikte haben, wird dieses Potential nicht genutzt, so dass auch die Eigenheiten der Hölle nicht ganz zum Tragen kommen. Auf mich wirken die einzelnen Teile der Hölle doch sehr einheitlich. Zugleich bremsen viele Abschnitte und philosophische Abschweifungen das Tempo. Die philosophischen Diskussionen mögen eine Stärke des Romans sein, lassen den Leser manchmal aber doch etwas ratlos zurück. Da hätte ich mir manchmal weniger gewünscht, auch wenn sie anfänglich durchaus einen gewissen Unterhaltungswert aufweisen. Die Handlung wird dadurch aber nicht vorangetrieben, so dass viele Längen auftauchen und man wirklich lange warten muss, bis es wirklich spannend wird. Auch wenn dies dann auch eher durch eine Diskussion angeregt wird, aber niemand behauptet, dass Spannung mit Action gleichzusetzen ist. Wer darauf aus ist, sollte sich einem anderen Buch zuwenden.
Im Laufe der Handlung erfährt der Leser auch nach und nach mehr über Alice und Peter, aber es ist tatsächlich Professor Grimes, der den greifbarsten Charakter darstellt, während die eigentlichen Protagonisten nicht ganz greifbar werden und in ihren Ambitionen nicht nachvollziehbar. Der Weg in die Hölle hat einen Preis, den sowohl ALice als auch Peter problemlos zahlen wollen. Nur, am Ende sieht es so aus, als ob sie sich das ganze sparen hätten können. Und das hat nichts mit einer klassischen Heldenreise zu tun, in dem sich der Held weiter entwickelt und am Ende gestärkt sein Abenteuer beendet. Der Leser weiß es noch nicht, aber je mehr er über die Protagonisten erfährt, desto weniger nachvollziehbar werden deren Motivation. Deutlich liegt das Hauptaugenmerk auf Alice und Peter, so dass leider auch manche Nebenfiguren oder Ereignisse eher wie dekoratives Beiwerk wirken, ohne unbedingt einen Mehrwert für die Geschichte darzustellen.
KATABASIS ist ein geistreiches Werk, das vor allem dort überzeugt, wo es seine Prämisse mit konsequenter Gestaltung verknüpft: Die Darstellung einer Hölle, die der Intelligenz und dem akademischen Ehrgeiz gewidmet ist, und mehr philosophischen Diskurs bietet als Hitze und gequälte Seelen (wobei ... sind Studenten, die an ihren Dissertationen nicht doch gequälte Seelen?). UrbanFantasy, allerdings keine leichte Kost. Man muss sich darauf einlassen, was mir allerdings schwer fiel. Zu lang und zu abschweifend war die Geschichte, in der ich mich oft verlor. Der rote Faden war aber immer schnell gefunden. Nur, ich hatte anderes erwartet und war ein bisschen von dem enttäuscht was Kuang mir geboten hat, auch wenn sie versuchte mir das sprachgewaltig zu übermitteln.
Meins wars nicht,

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