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Montag, 19. Mai 2025
Joan Lindsay: Picknick am Valentinstag (Rezension)
Am Valentinstag des Jahres 1900 unternehmen die Schülerinnen des Appleyard College in der Nähe von Melbourne einen Ausflug zum Hanging Rock, um dort ein Picknick zu veranstalten. Im Laufe des sonnendurchfluteten Nachmittags im Busch machen sich die drei ältesten Schülerinnen, Miranda, Irma und Marion, unter strengen Ermahnungen der Lehrerinnen auf, das geheimnisvolle Felsmassiv genauer zu erkunden. Edith, eine jüngere Schülerin, schließt sich ihnen an. Als man sich am Abend zur Rückfahrt rüstet, sind nicht nur die vier Mädchen verschwunden, sondern auch die Lehrerin Greta McCraw.
Die Suche bleibt ergebnislos, bis plötzlich Edith schreiend und völlig verstört aus dem Unterholz gelaufen kommt. Sie hat keinerlei Erinnerung an die Geschehnisse auf dem Felsen. Die drei anderen Mädchen und die Lehrerin bleiben verschwunden. Alle hektischen Suchaktionen der nächsten Tage sind umsonst. Doch eine Woche nach dem verhängnisvollen Picknick taucht Irma zwischen den Felsen auf – ohne jede Erinnerung an das Vorgefallene. Wie sie so lange ohne Wasser in der Wildnis überleben konnte, ist ein Rätsel. Von den anderen drei Vermissten findet man nach wie vor keine Spur. Was ist mit ihnen geschehen?
Seit ich Rezensionen veröffentliche habe ich mir geschworen jedes Buch, das ich lese auch zu Ende zu bringen, damit ich eine passende Rezension darüber schreiben kann. Auch wenn das eine Qual ist (bzw. sein kann). PICKNICK AM VALENTINSTAG wird wohl eine Ausnahme bleiben. Ich habe das Buch nicht zu Ende gelesen und ich werde es wohl niemals tun. Und das liegt nicht einmal daran, dass das Buch schlecht ist. Ich liebe das Buch. Es ist eine atmosphärisch dichte Geschichte um die Jahrhundertwende (19./20.) und gibt ein gutes Sittenbild der damaligen Zeit wieder. Schreibstil und Charaktere sorgen dafür, dass man sich als Leser sofort zuhause fühlt und auch auf emotionaler Ebene miterleben kann, was die Bewohner des Colleges erleben. Und dabei fließt die Geschichte nur so dahin, in der heutigen Zeit könnte man sagen, dass sie entschleunigt (das macht auch der Spielfilm von Peter Weir aus dem Jahre 1975, wie die Serie von 2018 den Stoff umsetzt weiß ich nicht, ich kenne sie nicht und weiß von ihrer Existenz erst seit ich diese Rezension schreibe). Es ist schwierig dem Buch ein Genre zuzuordnen, aber das muss man eigentlich auch nicht. Es darf gerne für sich alleine stehen. Und so kann es Sittenportrait, Historischer Roman, Krimi oder Phantastik sein. Vielleicht muss der Leser das selbst entscheiden, wenn er das denn unbedingt muss. Vielleicht trifft es eher den historischen Roman, der Krimiaspekt ist unbefriedigend für diejenigen, die miträtseln wollen und die Phantastik ist auch sehr subtil.
Lindsay hatte ihren Roman ursprünglich mit einer Auflösung versehen, als sie es dem damals führenden Melbourner Verlagshaus Cheshire vorlegte, das auch ihre beiden vorangegangenen Bücher verlegt hatte. Im gegenseitigen Einvernehmen wurde aber entschieden, das Buch ohne das abschließende 18. Kapitel zu veröffentlichen und den Leser über das Geheimnis im Unklaren zu lassen.
Joan Lindsay starb 1984 mit 88 Jahren. Testamentarisch hatte Lindsay einer postumen Veröffentlichung ihres zweitausend Wörter zählenden 18. Kapitels durch ihren Agenten John Taylor zugestimmt. Am Valentinstag 1987, zwanzig Jahre nach Erscheinen des Romans, wurde es trotz Protesten von Taylor mit einem Kommentar von Yvonne Rousseau veröffentlicht. So .... meine Ausgabe enthält sowohl das fehlende (erklärende) 18. Kapitel und eine alternative Lösung des Übersetzters Werner Wolfs. Und das ist der Teil des Buchs, den ich nicht lesen werde (und ich habe das Buch schon früher gelesen, aber das Ende noch nie gelesen). Für mich ist die Wirkungsweise mit einem offenen Ende immens. Aber natürlich bleibt es dem Leser selbst überlassen, ob er das Ende lesen will oder nicht. Aber das Buch sollte man lesen, vor allem wenn man sich für die Zeit und/oder Australien interessiert.
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